Ethik für Lehrende

Der Sinn ethischer Richtlinien

Richtlinien ethischen Verhaltens sind Ausdruck unseres Respekts gegenüber anderen und uns selbst. Indem wir uns entsprechend diesen Richtlinien verhalten, kultivieren wir innere und äussere Beziehungen, welche frei von Ärger, Wut, Begierde und Achtlosigkeit sind. Wir erkennen an, dass wir die Welt um uns herum durch unser Denken, Reden und Handeln beeinflussen – und lernen dabei im Geiste des ‘Interseins‘ zu leben. Der Wert der ethischen Verhaltensregeln wird in Retreats besonders spürbar. Wir fühlen uns beschützt und sicher und erlangen ein vertieftes Verständnis dafür, dass sie wesentliche Veränderungen von Herz und Geist bewirken.
Richtlinien ethischen Verhaltens sind zudem ein wichtiger Praxis-Aspekt im Alltag. Sie werden auch als Übungsrichtlinien bezeichnet, was bedeutet, dass sie nicht ‘Gebote‘ sind, sondern ein Weg des ständigen Erforschens, Lernens und Verstehens.

Ethische Richtlinien für Lehrende

Im Zuge dessen, dass sich der Dharma (die Lehre Buddhas) im Westen etabliert hat, ist eine anhaltende Erforschung und Klärung der Richtlinien ethischen Verhaltens für die Beziehung zwischen Lehrenden und SchülerInnen (d. h. KursteilnemerInnen) in Gang gekommen.

Die westlichen Lehrenden sind mehrheitlich Laien, die mit ihren SchülerInnen (bzw. KursteilnehmerInnen) bedeutend informeller verkehren als klösterlich ordinierte LehrerInnen. Im Kontext unserer Kultur sind die Rollen der Lehrenden und die Beziehung zu ihren SchülerInnen auch um einiges komplexer als in Asien.

Dies hat zu einem fortlaufenden Dialog darüber geführt, wie die LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung in unserer Kultur beschützt werden kann. Es ist eine Beziehung, in welcher Vertrauen, Ehrlichkeit, Diskretion, Sicherheit und Offenheit zentrale Werte sind.
An internationalen Treffen der Dharmalehrenden wurde ein Ethik-Kodex erarbeitet, welcher spezifisch auf die Beziehung zwischen Lehrenden und SchülerInnen zugeschnitten ist. Er soll helfen, die Verantwortlichkeiten beider Seiten zu definieren.
Das Meditationszentrum Beatenberg hat den Ethik-Kodex von den freundschaftlich verbundenen Dharmazentren in den USA und England (Spirit Rock, IMS, Gaia House) übernommen und seinen spezifischen Gegebenheiten angepasst.

Von allen im Zentrum tätigen Lehrenden wird erwartet, dass sie sich während und nach Retreats und Seminaren in Beziehung zu Kursteilnehmenden an diesen Kodex halten.

Verhaltenskodex für Lehrende am Meditationszentrum Beatenberg

1) Vermeiden von Töten und verletzendem Verhalten
Wir erkennen die Verbundenheit aller Wesen an und respektieren alles was lebt. Wir erklären uns bereit, alle absichtlichen Handlungen, durch welche Lebewesen verletzt oder getötet werden könnten, zu vermeiden.

2) Vermeiden von Stehlen
Wir erklären uns bereit, nichts zu nehmen, was uns nicht freiwillig gegeben wurde und den Besitz anderer zu achten, ein tieferes Bewusstsein für eine respektvolle und ökologische Nutzung der natürlichen Ressourcen zu entwickeln sowie ehrlich im Umgang mit Geld zu sein und Geld, das für Dharma-Projekte gespendet wurde, nicht zu veruntreuen. Wir erklären uns bereit, die Lehre zu teilen, ohne Schüler oder Schülerinnen aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse zu bevorzugen.

3) Vermeiden von unheilsamer Rede
Wir erklären uns bereit zu sagen, was wahr und hilfreich ist und von Aussagen abzusehen, welche andere Meditations-Traditionen, Personen, Ethnien oder Religionen abwerten. Wir erklären uns bereit, bewusste und klare Kommunikation und die Qualitäten von liebevoller Güte und von Wahrhaftigkeit als Grundlage unserer Rede zu kultivieren.
Wir erklären uns bereit, Diskretion einzuhalten. Wir werden weder mündlich noch schriftlich vertrauliche Mitteilungen von SchülerInnen mit anderen teilen, ausser mit Co-Lehrenden und in Situationen, wo es um die Sicherheit einer/s Betroffenen geht.

4) Vermeiden von verletzendem sexuellem Verhalten
Wir erklären uns bereit zu vermeiden, durch sexuelles Verhalten Leiden zu verursachen und sehen von sexuellem Fehlverhalten ab. Als Lehrer und Lehrerinnen verpflichten wir uns dazu, unsere Lehrerrolle nicht dafür zu nutzen, um mittels unserer Autorität und Position eine erotisch-sexuelle Beziehung mit einer Schülerin oder einem Schüler (d. h. einem Kursteilnehmer oder einer Kursteilnehmerin) einzugehen. Insbesondere ist das Anpreisen von erotisch-sexuellen Handlungen als spezielle Belehrung für SchülerInnen (bzw. KursteilnehmerInnen) unannehmbar.
Weil in unserer Gemeinschaft mehrere alleinstehende Lehrer und Lehrerinnen Partnerschaften und Ehen mit ehemaligen Schülern oder Schülerinnen eingegangen sind, erkennen wir an, dass derartige  Beziehungen möglich sind, aber dass grosse Sorgfalt und Sensibilität vonnöten sind. Wir stimmen zu, dass in einem solchen Fall folgende Richtlinien entscheidend sind:

A) Eine erotisch-sexuelle Beziehung im Kontext einer bestehenden LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung ist niemals angebracht.

B) Während Retreats und formaler Lehre ist jegliche Anspielung auf eine zukünftige intime und/oder sexuelle LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung nicht angebracht.

C) Falls sich über einen längeren Zeitraum hinweg ein Interesse zwischen LehrerIn und SchülerIn (bzw. KursteilnehmerIn) entwickeln sollte, muss die LehrerIn-SchülerIn-Beziehung klar und bewusst aufgelöst werden, bevor sie sich in Richtung einer partnerschaftlichen Verbindung entwickelt.
Eine Annäherung an eine solche Beziehung sollte in keinem Fall direkt nach einem Retreat stattfinden und es sollte ein zeitlicher Mindestabstand von drei Monaten vor einer intimen Begegnung eingehalten werden.

5) Verzicht auf den Konsum von berauschenden Substanzen, welche zu Verlust von Achtsamkeit und zu unbesonnenem Verhalten führen
Es ist offensichtlich, dass der schädliche Gebrauch von Alkohol und Drogen grosses Leid verursacht. Wir stimmen zu, dass der Konsum von Drogen und Alkohol während Retreats oder auf dem Retreat­gelände unterbleiben soll und erklären uns bereit, von schädlichem Gebrauch von Drogen und Alkohol abzusehen.
Wir verpflichten uns, auch im Umgang mit Geld und Macht grosse Sensibilität und Integrität zu pflegen.

Vorgehen bei Verstössen gegen den Ethik-Kodex

Lehrende, welche in erheblicher Weise gegen diese Verhaltensregeln verstossen, werden nicht mehr zum Lehren im Zentrum eingeladen und die oben genannten Gemeinschaften und Zentren in England und den USA, sowie mit uns ‹befreundete› Zentren in Europa, werden über die Situation informiert.
Das Meditations­zentrum hat zwei geeignete Personen als Ombudsleute beauftragt. Retreat-Teilnehmende, die den Ethik-Kodex durch eine Lehrperson ernsthaft verletzt sehen, haben die Möglichkeit sich an eine der zwei Ombudspersonen zu wenden. Die E-Mail-Adressen dieser Personen können per Mail info@karuna.ch oder anonym per Telefon vom Zentrumsbüro in Erfahrung gebracht werden. Mit der Ombudsperson kann über die Angelegenheit gesprochen und das weitere Vorgehen geklärt werden.